Im Gewerbegebiet Perwenitz, das zu Schönwalde-Glien gehört, tut sich etwas. Auf dem Gelände, das der Coca Cola Konzern lange Zeit als Lagerstätte und als Zentralwerkstatt für Kühler, Automaten und Zapfanlagen genutzt und dann 2017 verlassen hat, möchte die Stadler Pankow GmbH einziehen. Stadler, 1942 als Familienunternehmen in der Schweiz gegründet, baut und hält Schienenfahrzeuge instand, die in den letzten Jahrzehnten in die ganze Welt exportiert wurden.
Längst ist aus dem kleinen Betrieb eine weltweit operierende Holding mit etwa 11.000 Mitarbeitern geworden, die seit einem Jahr auch an der Börse zu finden ist. 2019 konnte Stadler einen Umsatz von drei Milliarden Euro verzeichnen. Dr. Volker Keller, Geschäftsleiter von Stadler Rail Service Deutschland: „Insbesondere im Bereich der Instandhaltung rechnen wir mit einem enormen Wachstum in den kommenden Jahren.“
Ganz egal, ob Regional-Zug oder Intercity, ob Doppelstock-Triebzug, Lokomotive, Straßenbahn oder Metro – Stadler baut es. In der Schweiz, in Deutschland, in Russland, in Luxemburg, in Aserbeidschan, in Österreich, in Schweden und in anderen Ländern rollen bereits Stadler-Züge über die Schienen.
Im März 2020 konnte Stadler eine Ausschreibung für die Herstellung von bis zu 1.500 neuen U-Bahn-Wagen für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) für sich entscheiden. Der über 45 Jahre laufende Auftrag ist knapp drei Milliarden Euro schwer und schließt auch die Wartung und die Ersatzteilversorgung über eine Laufzeit von 32 Jahren pro Fahrzeug mit ein. Laut Vertrag ist der Produktions- und Versorgungsstart auf das Jahr 2023 datiert.
Dr. Volker Keller: „Ab 2030 fährt in Berlin voraussichtlich keine U-Bahn mehr, die nicht von Stadler gebaut wurde.“
Fünf Standorte von Stadler gibt es in Deutschland bereits, darunter in Berlin, Chemnitz, Herne, Velten und Essingen. Nun kommt Perwenitz dazu.
Dr. Volker Keller bekam am 4. Juni Besuch in Perwenitz – vom Parlamentarischen Staatssekretär Uwe Feiler (Mdb) aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und von Schönwaldes Bürgermeister Bodo Oehme.
Er nutzte die Gelegenheit, um seine Gäste über die Unternehmenspläne am Standort zu informieren: „Stadler wird vor Ort zehn Millionen Euro investieren. 60 neue Mitarbeiter, die wir zum großen Teil in den kommenden Monaten noch finden müssen, werden hier eine Arbeit finden. Ab Ende Juni möchte ich gern die ersten neuen Mitarbeiter vor Ort haben. Wir haben lange nach einer geeigneten Immobilie gesucht, die groß genug ist, ausreichend LKW-Parkplätze aufweist und auch von der Autobahn nicht weit entfernt ist. In Perwenitz sind wir fündig geworden. Wir haben das Gelände für 12 Jahre gemietet – mit der Option, den Mietvertrag um zehn Jahre zu verlängern. Vermieter ist ein Getränkehersteller aus Leipzig.“
Auf dem ehemaligen Coca Cola Gelände ist eine gewaltige Halle zu finden, die nun modernisiert und für die Stadler-Zwecke umgebaut wird – mit der Baugenehmigung wird in Kürze gerechnet.
Dr. Volker Keller: „Wir planen die Einrichtung eines Zentrallagers für ganz Deutschland in einem Bereich der Halle – auf 800 Quadratmetern. Der Standort Perwenitz wird damit sehr wichtig für unsere gesamte Logistik: Alle Teile, die an unseren verschiedenen Standorten benötigt werden, können so schnell von A nach B transportiert werden. Wir hoffen, dass wir mit dem Aufbau des Zentrallagers bereits Ende des Jahres fertig sind.“
Der Service-Bereich ist der Bereich bei Stadler, der weltweit am schnellsten wächst. Schließlich werden Züge ausgelegt auf eine Lebensdauer von etwa 30 Jahren – und müssen zwischendurch gewartet, repariert und modernisiert werden. Zurzeit arbeiten 180 Mitarbeiter im Service in Deutschland. Bald werden es 400 sein.
Dr. Volker Keller: „Das Modell, das mit neuen Zügen auch die spätere Wartung und Instandhaltung verkauft wird, greift immer mehr um sich. In der Revision checken wir alle acht Jahre die elementaren Komponenten und führen nach 16 Jahren eine komplette Modernisierung durch. Das macht Sinn: Nach 16 Jahren sind die Sitze verschlissen, das Design ist nicht mehr stimmig und die IT muss auf den aktuellen Stand gebracht werden. Auch um Reparaturen geht es. Man glaubt gar nicht, wie viele Unfälle es im Jahr gibt, in die Schienenfahrzeuge involviert sind. Große Unfälle reparieren wir in Reinickendorf.“
In Perwenitz wird es darum gehen, die sogenannten Drehgestelle der verschiedenen Schienenfahrzeuge zu warten. Bei den Drehgestellen handelt es sich um den Schwergewichtsteil eines Zuges, auf dem der Wagenkasten aufsitzt – es sind die Räder, die Federung, die Dämpfer und der gesamte Metallunterbau.
Was passiert nun eigentlich mit den Drehgestellen, die bis zu 18 Tonnen schwer sind und die aus bis zu 2.000 Komponenten bestehen können, in Perwenitz? Sie werden zunächst in einer eigenen Waschanlage gereinigt und wieder auf Hochglanz gebracht. Ansonsten werden alle Gummikomponenten getauscht und es gibt eine Lackier- und eine Strahlanlage. Geplant ist es schon jetzt, diese Einheit 2021 so zu erweitern, dass es auch möglich ist, sich das eigentliche Getriebe anzusehen und es ggf. zu reparieren. 2022 könnte auch das Fahrwerk selbst vor Ort in den Service gelangen.
Ab 2023 greift der BVG-Vertrag. Dann sollen die Drehgestelle für die U-Bahn-Waggons vor Ort nicht nur gewartet, sondern in Perwenitz auch montiert werden.
Dr. Volker Keller: „Die Waschanlage in Perwenitz ist mit einem geschlossenen Wasserkreislauf ausgestattet, sodass wir das benutzte Waschwasser gleich recyceln können, ohne die Umwelt zu belasten. Und um die tonnenschweren Drehgestelle bewegen zu können, benötigen wir eine eigene Krananlage. Dafür ist wiederum eine sehr große Halle Voraussetzung – die wir in Perwenitz ja gefunden haben.“
Bodo Oehme, Bürgermeister von Schönwalde-Glien, ist froh über die neue Gewerbeansiedlung: „Für uns als Gemeinde ist das Stadler-Engagement schon sehr wichtig. Schön war auch, dass wir einmal mehr zeigen konnten, wie unkompliziert die Zusammenarbeit mit der Gemeinde für die Gewerbetreibenden funktioniert. Einige Anwohner sind nur besorgt wegen dem LKW-Verkehr. Dazu muss man aber sagen, dass eine Landesstraße eben auch dafür da ist, den Landesverkehr aufzunehmen.“
Dr. Volker Keller kann aber auch hier gleich Entwarnung geben: „Wir rechnen mit nur zehn LKW-Bewegungen am Tag. Außerdem ist für uns vor allem die nahe Autobahn wichtig. Wir wollen mit den schweren Drehgestellen nicht durch die kleinen Straßen fahren.“
Sobald der Umzug nach Perwenitz geglückt ist und die Arbeiten aufgenommen werden, wird es vor Ort einen „Tag der offenen Tür“ geben. (Text: CS / Fotos: CS + Stadler)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 172 (7/2020).
Der Beitrag Stadler kommt ins Gewerbegebiet Perwenitz: Bahnhersteller hat Pläne! erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.